ein Sundersiech
auch ein[e] Sundersiechinn
Interessantes Thema, welches Fragen aufwirft, sobald man sich im Web danach umsieht:
Denn, auch wenn es wohl nicht so einfach ist, die gesellschaftliche Stellung, die Art der Beschäftigung und die Lebensumstände der Sondersiechen (also der als unheilbar krank eingestuften "aussätzigen" Menschen) exakt zu rekonstruieren (s.a.
https://www.sueddeutsche.de/bayern/bayern-lepra-siechenhaus-bamberg-nuernberg-1.6108531 und
https://www.sonntagsblatt.de/artikel/kirche/siechkobel-von-st-jobst-wo-die-kranken-bettelten und
https://www.st-johannis-nuernberg.de/geschichte-unseres-stadtteils-2-kapitel), mit innerhalb der Stadtmauern ausgeübtem Bäckerhandwerk ließe sich dieser Status wohl nicht vereinbaren. Dass zwei "Sundersieche" heiraten, lässt ebenfalls aufhorchen; Siechenhäuser waren oft nach Geschlechtern getrennt, in den Hausordnungen finden sich "Unzuchtsverbots- und Eheverbotsparagraphen" (siehe z.B.
https://www.heimatforschung-regensburg.de/2074/1/971581_DTL1291.pdf, Seite 23).
Nürnberg hatte offenbar eine relativ ausgeprägte Sondersiechen-"Infrastruktur", auch weil die Stadt sich relativ früh des Themas angenommen und sich ein entsprechendes Stiftungswesen etabliert hatte; dieses weckte auch Begehrlichkeiten (
https://www.digitale-sammlungen.de/de/view/bsb00000962?page=294,295&q=sondersieche, S. 291 Mitte). Die vier, zu diesem Versorgungsnetz gehörenden, relativ weit außerhalb der Stadtmauern errichteten sog. "Siechkobel" (St. Johannis, St. Jobst, St. Leonhard und St. Peter) lagen jeweils an den Ausfallstraßen der Stadt (
https://geoportal.bayern.de/bayerna...162908,5479855.106739166&routeCatIds=bvv-hike).
Im fraglichen Zeitraum (um 1573) war die Anzahl der an Lepra Erkrankten offenbar bereits stark zurückgegangen (
https://www.historisches-lexikon-bayerns.de/Lexikon/Leprosenhäuser), wiewohl auch nicht auf Null, wie aus den obigen Texten zu Amberg und Nürnberg (S.
292) ersichtlich. Inwieweit die beiden also tatsächlich von der Krankheit betroffen bzw. ob sie Bewohner einer der genannten Einrichtungen waren, dürfte sich wohl schwer klären lassen.
Eine alternative Lesart wäre noch, dass sie aus Familien kamen, welche stiftungseigene Güter bewirtschafteten (siehe
https://www.digitale-sammlungen.de/de/view/bsb00000965?page=182,183&q=siechkobel). Höchstwahrscheinlich wäre das dann aber (unter Angabe der jeweiligen Ortschaft/Lokalität) in der Proklamation entsprechend anders formuliert worden.