Fundstücke (makabres, trauriges, erheiterndes)

Dass uneheliche Kinder mitunter als Hurenkinder bezeichnet werden, war für mich nicht neu. Bei diesem Heiratseintrag meiner Vorfahren kann man die Wut des Pastors aber noch immer spüren (zufällig passt auch das Heiratsdatum zum heutigen Tag).

KB Mittelhausen bei Erfurt - 1756

Präter Mercur. d. 7. Januar., ist Mstr. Heinrich Rudolph Wigand, ein Schuhmacher allhier mit seiner leibl. und würdl. Schwägerin, Frauen Catharinen Elisabeth Weigandin, (gebürtig aus Elxleben) einer Verwegenen frechen Weibsperson, welche auf ergangene specielle Permission und [Di]spensation & Hochfürstl. Ober- Consistorii zu Eisenach, nach der wegen ihrer begangenen Hurerey und Blutschande, d. 6ten Januar. als Festo 3 Regum abgelegten Kirchenbuße, vormittags in hiesiger Kirche zu S. Severini in der Stille copuliret worden. Es ist diese Weibsperson einer gans sehr freche, verwegene und unverschämte [H]ure, welche Ihren ersten Mann [au]ch mit Huren bekommen und nach geschehener Ihrer erstmahligen Copulation so gleich, an selbigen Tage ihre Hu[ren]frucht abgeleget und Kindtaufe gelobt. Und ihrem jetzigen Mann hat sie auch stets listig nachgestellet und nicht nachgelaßen, bis sie ihn in ihr Huren Netz gebracht, Gott bekehre sie und bringe sie zur rechtschaffenen Buße, damit sie ihr Seele rette und seelig werde, durch Christus Amen!

Vorgenannte Catharine Elisabeth Wiegand wurde später immerhin seelige 82 Jahre alt.
 
Vielen Dank, @eggi11 - ein wirklich in verschiedener Hinsicht bezeichnender Eintrag

Vielleicht hilfreich:

Präter > hier heißt es m.E. Heüte

Merkur / Mercurius als Zeichen für den: Mittwoch

& > ist ein E. = Ehrwürdigen
 
ich zähl das mal unter "erheiterndes" damit es hier rein passt... ;-)

da ja jetzt die KB'er aus Freiberg und Umgebung online gehen, kann ich endlich auch wieder weiter forschen... und dabei fällt mir auf... das in Langhennersdorf der Pfarrer sich echt Mühe gemacht hat und "all-in" gegangen ist mit seinen Informationen...
Da stehen so viele Details in den Einträgen drin... das ist eine wahre Freude...

Ihr kennt das ja sicher auch das man schon öfters Sterbeeinträge hatte, die nicht mal die 10 Wörter erreicht haben :D

 
Merke: Wenn man Österreichischen Knechten hinterher läuft wird man schwanger :p:cool: /No offense

Also bei dem Eintrag musste ich etwas schmunzeln...

"Johann Gottfried, ein unehliger Sohn
einer ihres Verstandes nicht mächtigen
Mutter, nehmlich Beaten Sophien Schnei-
derin, welche in ihrer Unbesonnenheit
mit denen Oesterreichischen Stück Knechten
sich eingelaßen, denen selben nach gelau-
fen und also schwanger geworden, ..."
 
Dem Trauregister von 1647 vorangestellter Eintrag im KB Hopfgarten/Vadenrod:
Hauß undt Güter vererben die Eltern, aber ein vernünfftig Weib kömmett vom Herrn.
 
Eintrag im Kirchenbuch Grötzingen (Alb-Donau-Kreis):
https://www.archion.de/p/d37abf4353/
Schaut man sich die Tage vorher oder danach an...
dazu gehört: https://www.archion.de/p/8b29fa1763/

Anno Domini 1635. -Julius-
Weil umb dise Zeitt die Pest stärkher eingerissen, unnd grassiert,
als zuvor, unnd der Kürchhoff weitter grabens nit hatt leiden
mögen, als ist ein christliche Obrigkeitt genöttiget worden, einen
andern Todtengartten zu überkommen, der selbe ist von dem
alten gerad über die Straaß hinüber, …
 
1714 - ein junger Mann mit traurigem Schicksal unter https://www.archion.de/p/388a710560/

Mein Übertragungsversuch (bitte gerne verbessern! - Steht da z. B. wirklich "Mensh" statt "Mensch"?):

"[...] Dieser Mensh
ward fast 7 Wochen kranck, kunte in der Kranckheit
sein Waßer nicht halten, Das fraß ihn am dritten
Tage Wund, daher kam es daß er bey lebedigem
Leibe verfaulete, und einen solchen Stanck veruhr-
sachete daß fast kein Mensh bey ihm bleiben kunte
[...]"


Gruß
Wolfgang
 
Die Taufeinträge der unehelichen Kinder sind wirklich "starke Stücke"!
Aber auch bei ehelich geborenen Kindern wurde gern nachgerechnet und die "Siebenmonatskinder" zeitweise explizit als "Frühling" gekennzeichnet. Dass eine extra Bemerkung dazu geschrieben wurde, war dennoch ungewöhnlich. Hier eine von 1795, über die ich herzlich lachen musste - man hört aus den ersten Worten förmlich die Empörung des Pfarrers heraus (oder ist es gar Selbstironie?)

"Diese saubere Kindbetterin ließ ich auch als Jungfer proclamieren und den 5. Mai allhier in Ehren copulieren, und kam doch schon nach 25 Wochen und 2 Tagen mit einem Töchterlein nieder, welches zwar nicht allzu groß, aber doch gesund, wohlgebildet und des gehörigen Lärmes begabet, und allem Ansehen nach vollkommen ausgezeitiget war. …"
 
Ich habe etliche Einträge gesehen, wo bei der Trauung offenbar noch alles "ordentlich" schien und Bräutigam und Braut mit den üblichen Adjektiven versehen waren (ehrsam, tugendsam etc.). Später - oft an anderer Farbschattierung der Tinte deutlich - wurden diese Adjektive dann mit einem sehr entschiedenen Federstrich getilgt und mitunter auch eine Bemerkung über die "vorzeitige" Geburt eines Kindes ergänzt.
Jo, die Sozialkontrolle hat funktioniert ... ganz ohne Facebook, Instagram & Co. ...
 
und es funktionierte zum Glück auch umgekehrt. Wer als Fornicantin getraut wurde, konnte später durchaus noch ehrbare Ehewirtin werden :giggle:
 
Mal etwas (trauriges oder erheiterndes?), was abseits von Kirchenbüchern und Standesamtsregistern zu recherchieren war:

Ein Cousin meines Großvaters, der 1883 geboren wurde hatte einige "interessante" Wohnorte.
Wohnort: von 30.10.1898 bis 30.04.1899 Düsseldorf-Derendorf, ("Ulmer Höh’" - Jugendgefängnis)
Wohnort: 1906 Willich-Anrath, (Gefängnis Anrath - 6 Monate - müsste 18 Monate Zuchthaus sein)
Wohnort: seit 1910 Siegburg, (Zuchthaus Siegburg - Michaelsberg); 5 Jahre Zuchthaus - plus 2 Jahre "wegen einer anderen Sache", später weitere Straferhöhung um 2 Jahre nach Geständnis einer weiteren Tat
Wohnort: bis ca 1913 Kassel, (Zuchthaus Kassel-Fulda)
Wohnort: von 1913 bis ca 1914 Ziegenhain, (Zuchthaus)
Wohnort: 1914 Wartenburg, Ostpreußen, (Zuchthaus Wartenburg)
Wohnort: 1914 Werden, Essen, (Zuchthaus Werden)
Wohnort: von 1914 bis 09.1916 Brandenburg an der Havel, (Zuchthaus Brandenburg)
Wohnort: seit 09.1916 Wartenburg, Ostpreußen, (Zuchthaus Wartenburg)
Wohnort: von 1919 bis 1932 Dortmund (scheinbar jetzt zunächst gesetzestreu lebend, wo sich dann seine Spur aber bis jetzt verliert, als er 1932 zu 13 Monaten Haft verurteilt wurde)

In einer Zeitungsnotiz hieß es 1913 über ihn: "[...] Er war bald nach der Tat [das war die Sprengung eines Geldschranks 1903] auf Wanderschaft gegangen, hatte sich später im Hessenlande niedergelassen und war dort nachdem er wegen anderer Diebstähle, Zuhälterei usw. wiederholt mit Gefängnissen Bekanntschaft gemacht hatte, wegen mehrerer Einbruchsdiebstähle im Jahre 1910 zu 6 Jahren Zuchthaus verurteilt worden. Zwecks Verbüßung dieser Strafe war er dem Zuchthause zu Kassel überwiesen worden. [...]"

Wer bietet mehr? ;)

Glückauf
Wolfgang
 
Ich biete nicht mehr, sondern anderes:

Nicht im Kirchenbuch vermerkt, aber gerne vom Pfarrer des Kirchspiels Ruppertshofen/St. Goarshausen um 1910 herum durchgeführt:
War bekannt, dass die Brautleute heiraten mussten, wechselte er übliche Aufstellung der Brautleute vor dem Altar. Was die Kirchengemeinde darüber informierte, dass der Pfarrer besser informiert war. Bei meinen Urgroßeltern führte das dazu, dass sie lieber noch zwei Monate länger warteten, bis mein Uropa beim Militär war und dann in Wiesbaden heirateten :)

Meine Urgroßtante verreiste um 1870 mit ihrem Geliebten (Tierarzt) nach London - sie war Schankmagd! Später heiratete sie diesen Mann. Durch einen Zufall erfuhr ich später, dass er damit der Anklage als Gattenmörder entgehen wollte. In der Annahme, dass er nicht mehr angeklagt werden konnte, kamen beide ein halbes Jahr später zurück. Es kam zu einem Prozess. Beide wurden freigesprochen, weil nicht klar war, ob die Gattin, die an Hausfrauenalkoholismus litt, dass Arsen nicht in Selbstmordabsicht nahm. :(
Lange hielt diese Ehe jedoch nicht, der Tod schied sie vier Jahre später - der Mann starb. Zu seinem Ableben gab es aber keine Untersuchung.

Gruß
Finja
 
Wo kommt nur das Gerücht her, früher sei man nicht so alt geworden?


den 7. Martij trina, Johan Krausen Sel. witwe be-
graben, ihres alters 100. Jahr. !!!!
 
Die Konkurrenz schläft nicht:

NB unterwährender meiner predigt gehet der cathol. Pfaffe mit seinem
Küster und Köchin in unser Küster Hauß, nimmt der Kindbetterin
das Kind weg und Verichtet die Noth Tauffe, und reterirt sich hals
über Kopf in sein Hauß, hat also einen sträfl. Eingriff
in die jura parochialia et ecclesiastica Serenissima
Nostri Principis Waldecciæ gethan, welches unserm
Consistorio sofort berichtet und dem Geitzhalse zur
Verantwortung gereichen wird, tempus docebit.


hierauf erging Von Hochfürstl. Consistorio ein Schreiben an Prior Kohle
zu Gliedfeld und prætendiret Satisfaction, wie sich der cathol. Pfaffe
Caspar Runde darauf Verantwortet, zeiget mir zur Nachricht zugefer-
tigtes rescript, welches aber mit lauter s. v. lügen angefüllet, dabey
Verbleibet es aber dieses mahl
 
Die Gräben sind tief:

anno 1709 den 27. Januarij
Sind in offentlicher gemein getrauet worden Johann Henrich
Arend, schreiner gesell bei Meister Michaelen Butterweck
und dessen Tochter Anna Christina, mit beiderseits Eltern Consens
und feinen Attestato des H. Pastoris zu Kirche lotheims im ampt föhle
Hierbei ist zumerken das die Braut gegen Von ihres Vattern Bruders hause
und andern, hätte gerne mit in die Kirche gehabt, nach Voriger alten ge-
wohnheit bei solchen Ceremonien, weil aber H. tort Catholischer Priester
seinen schlüssel so lange Verlohren hatte, bis wir in die Kirche gingen
Also ging von Jener seit keiner mit in die Kirche, aüsser Zween
mägdchen, uhrsache ist ferner weil die Catholischen nicht wollten aus
ihrer messe bleiben. NB alia causa erat,
Auch hat H. tort Catholischer Priester etliche mahl bei ihrer tauffe
als gevattern von uns Lutheranern nicht wollen annehmen,
nehml. Meister Michaels geselle, bei seiner Tochter Kind Hannen

 
"Wirtschaftsnachrichten"
(Taufe eines unehelichen Kindes in einer Schenke, Helbra 1767)

... Und weil
das Kind wegen der ausgestandenen großen Kälte schon halb erfroren war, so mußte
ichs gleich in der Schenke, wohin es die Mutter des Kindes kaum beÿm Leben bringen
können, in der Noth tauffen. Die daseÿenden und in der Eil aufgerafften Pathen
des Kindes waren: ....

 
Goldbach (Gotha) 1636

In diesem Jahr gings übel zu nicht allein wegen des Sterbens
sondern auch wegen des Kriegs denn der Panner alles ausplündern und
verderben ließ, starben auch viel Leute Hungers, und konte man Unsicherheit
wegen die Leute-Begrabens, so blieben 68 ? 10 Tage ohne Grab, weil es an
Thielen (Dielen) od. Bretern zu den Särgen mangelten, wurden sie zum theil in Betten
nur schingeschleppet (hingeschleppet)?
 
Zurück
Oben